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Medizintechnik
Die Terahertz-Technologie eröffnet vielversprechende Möglichkeiten für die nicht-invasive und berührungslose Messung von Vitalparametern wie Herz- und Atemfrequenz. Im Vergleich zu Mikrowellentechnologien bieten Terahertz-Frequenzen entscheidende Vorteile: Ihre kürzeren Wellenlängen, breitere Bandbreite und bessere Reichweitenauflösung ermöglichen eine höhere Empfindlichkeit für kleinste Bewegungen, was für die präzise Analyse von Vitalparametern essenziell ist. Zudem können diese Wellen opake Materialien wie Kleidung durchdringen, sodass Messungen auch durch Textilien hindurch erfolgen können, ohne den Patientenkomfort zu beeinträchtigen.
Ein weiteres bedeutendes Anwendungspotential der THz-Technologie liegt in der Analyse von Muskelbewegungen. Hiermit können die Steuermechanismen für Exoskelette und Prothesen verbessert werden, um eine präzisere und effizientere Bewegungskontrolle zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wird die THz-Technologie als vielversprechende Lösung erforscht, um die Einschränkungen traditioneller Methoden zur Überwachung vitaler Parameter zu überwinden und die Patientenversorgung zu optimieren.
Im Rahmen des Projekts Terahertz.NRW wird intensiv daran gearbeitet, diese Technologie in der Medizin zu integrieren und ihre Anwendungsmöglichkeiten zur zuverlässigen Erfassung von Vitalparametern weiter zu erforschen.
Forschungsthemen
Bewegungs- und Vitaldiagnostik
Gewebediagnostik und Dermatologie
Mikrofluidische Biosensoren
Bewegungs- und Vitaldiagnostik (AP6.3, Seidl, Kaiser, Kirchner, Saraceno, Tschulik): Die Möglichkeit der THz-Technologie, Abstände mit sehr hoher Auflösung im Fernfeld auch durch Kleidung zu ermitteln, bietet die Möglichkeit der berührungslosen Vitaldiagnostik [KEB/2020]. Durch die Detektion von Muskelbewegungen wird potenziell die Ansteuerung von Exoskeletten und Prothesen ermöglicht. Darüber hinaus erlauben stoffspezifische Frequenzantworten eine multiparametrische Vitaldiagnostik, was die Ermittlung von Atem- und Pulsfrequenz, Pulswellenlaufzeit, aber auch den Glucosegehalt ermöglichen könnte. In AP2.6 (Czylwik, Kirchner, Seidl, Weimann) werden Systemansätze zur Detektion von Muskelbewegungen durch Mikrobewegungen der Haut flächig mithilfe von THz-Sensoren erarbeitet. Im AP5.4 (Seidl, Benson, Kirchner) werden KI-basierte Methoden entwickelt, um aus den THz-FernfeldsensorMessungen auf die verteilten Mikrobewegungen der Hautoberfläche z. B. am Unterarm (vergl. taktile Myographie) und damit auf den intendierten Fingerbewegungen zu schließen. Weiterhin wird die Feinansteuerung der Hand auf der Basis feiner, oberflächlich sichtbarer Muskelbewegung in Kombination mit dem Tracking mittels THz-Tags untersucht. Die Ansätze werden dann in AP6.3 (Bewegungs- und Vollantrag terahertz.NRW 10/40 Vitaldiagnostik) für die Anwendung in Diagnostik, Monitoring und die Assistenz von Patienten zur Langzeitmessung von physiologischen Daten evaluiert. Geplant sind Funktionsstudien und Vergleichsmessungen mit State-of–the-Art EMG- sowie Ultraschall-basierten Ansätzen und alternativen Ansätzen der großflächigen kontaktbasierten Messung von Bewegungen der Muskeln.
Forschungsziele
- Entwicklung einer kontaktlosen THz-Methode zur Überwachung von Herz- und Atemfrequenz.
- Analyse des Einflusses von Kleidung auf die Messgenauigkeit.
- Bewertung der Eignung verschiedener THz-Frequenzbänder für Vitaldiagnostik.
Methoden
- Evaluierung von Systemkonzepten für erweiterte Vitaldiagnostik.
- Signalverarbeitung zur Extraktion von Vitalparametern aus Amplituden- und Phaseninformationen.
- Funktionsstudien an Probanden zur Validierung der Ergebnisse.
Forschungshighlights
- Ergebnisse zur Terahertz-Atemfrequenzmessung werden auf der ICM2TS 2025 präsentiert.
- Paper: Svenja Nicola Kobel, Yamen Zantah, Andreas Prokscha, Christian Wiede, Gerd vom Bögel, Thomas Kaiser und Karsten Seidl, “Terahertz Remote Respiration Rate Monitoring”.
- Terahertz-Technologie zeigt Potenzial als kontaktlose, nicht-invasive Alternative zur Vitalparameterüberwachung.
Wir erforschen das Potenzial der THz-Bildgebung für die mobile Histopathologie mit dem Ziel, eine schnelle intraoperative Beurteilung von Tumorrändern zu ermöglichen. Dieser Ansatz geht über die Korrelation von Gewebeeigenschaften mit dem Wassergehalt hinaus und umfasst detaillierte Analysen morphologischer und physikalischer Eigenschaften. Ein bedeutender Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung eines THz-Endoskops, das hochauflösende Bildgebung in Echtzeit ermöglichen soll.
„Gewebediagnostik“ (AP6.4, Hillger, Pfeiffer, Seidl, Stöhr, Klode, Schadendorff, N. Krämer): Eine weitere visionäre Anwendung der THz-Technik in der Medizin ist die mobile Histopathologie auf der Grundlage einer hochauflösenden THz-Bildgebung zur Diagnose von Tumorgewebe und Neoplasmen hinsichtlich einer schnellen intraoperativen Vermessung von Tumorrändern [ZAY/2020]. Moderne funktionelle THz-Ansätze versuchen derzeit über die dominante Korrelation der Gewebecharakteristika zum Wassergehalt hinauszugehen, um auch morphologische und physikalische Eigenschaften erfassen zu können. Ein reflektometrisch und/oder spektroskopisch arbeitendes „THz-Endoskop“ stellt derzeit noch eine große technische Herausforderung dar. In AP4.1 (Hillger, Neumaier, Pfeiffer, Benson, Kirchner, Rennings, Stöhr, Hoffmann) wird eine hochauflösende THz-Nahfeldsensorik, ausgehend von aus Vorarbeiten der BUW verfügbarer (bisher glasfasergebundener) neuartiger Nahfeldsensorarchitekturen, zu vollständigen Systemen integriert und konsequent in anwendungsorientierte Komponenten weiterentwickelt. Aspekte sind hier eine Weiterentwicklung von „true-wireless“ Lösungen sowie die intelligente Signalverarbeitung (AP5.6, Hillger, Pfeiffer, Seidl, Balzer, Brenner, Klaes, Rolfes). Im Bereich der bildgebenden Sensorik werden in AP4.1 (Hillger, Neumaier, Pfeiffer, Benson, Kirchner, Rennings, Stöhr, Hoffmann) großskalige inkohärent betriebene THz-Nahfeldsensorarrays in konventioneller SiGe-Technologie für die mikroskopische klinische Tumorrandbildgebung in Echtzeit weiterentwickelt. Die entwickelten Systeme münden in einen technischen Demonstrator in AP5.6 (Hillger, Pfeiffer, Seidl, Erni, Brenner, Klaes, Rolfes) und können so einem größeren Nutzer:Innenkreis des Netzwerkes zur Verfügung gestellt werden. Die Kernanwendungsfelder hierfür liegen in der Erkennung von malignem Gewebe bei Tumoren.
Die Integration von THz-Sensortechnologie mit Mikrosystemtechnologien eröffnet vielversprechende neue Anwendungen in der Point-of-Care-Diagnostik und der Neurowissenschaft. Unsere aktuellen Projekte untersuchen Oberflächenfunktionalisierungen und THz-Mikrosysteme.
„Mikrofluidische Biosensoren“ (AP6.5, Weyers, Klein, Hoffmann, Hofmann, Klaes): Durch die Kombination von THz-Sensorik [BRE/2018] mit mikrosystemtechnischen Herstellungsverfahren zeichnen sich interessante Anwendungsfelder in der Point-of-Care-Diagnostik und den Neurowissenschaften ab [ZHA/2021]. Hierfür werden in AP4.2 (Hillger, Neumaier, Pfeiffer, Weyers, Weimann, Klaes) Oberflächenfunktionalisierungen und in AP4.3 (Neumaier, Pfeiffer, Weyers, Benson, Klein, Weimann, Hofmann, Hoffmann) funktionalisierte THz-Mikrosystemttechnologien evaluiert. Mögliche Anwendungen sind die Erkennung von Krankheitserregern, die Früherkennung von Alzheimer Erkrankungen sowie die Detektion von Neurotransmittern. Die Ansätze variieren dabei in Abhängigkeit der Targetspezies von der Anwesenheit von Pathogenen bis hin zur Detektion von veränderten Proteinen bei Alzheimer. Im Anschluss werden die Testreihen im Vergleich zu konventionellen Diagnoseverfahren evaluiert.
Technologische Herausforderungen
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Sensornahe Signalverarbeitung
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THz-Messkonzepte und -Systeme
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Tomographische 3D-Verfahren
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Ressourceneffiziente Methoden
Forschungsergebnisse und Ausblick
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- Prof. Dr.-Ing. Karsten Seidl
- karsten.seidl@ims.fraunhofer.de
- ims.fraunhofer.de/en/Business-Unit/Health